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Der Blick über den Tellerrand

Diskussionen um die nötigen Fähigkeiten und Qualifikationen von Personalern gibt es regelmäßig. Auch ich habe dazu schon das ein oder andere gesagt und geschrieben, und je länger ich im Personalwesen tätig bin, desto mehr Ideen und Gedanken habe ich dazu.

Was mir dabei auffällt, ist eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, was man gerne so fordert und dem, was man in der Praxis tatsächlich tut. Ein Thema ist dabei die Berufserfahrung von Personalern. Da gibt es die Theorie, dass es dem Unternehmen gut tut, wenn Personaler nicht nur Personaler sind, sondern auch etwas „vom Business verstehen“ oder vielleicht aus einem anderen Bereich kommen, sozusagen den berühmt-berüchtigen Blick über den Tellerrand mitbringen.
Soweit die Theorie, der ich als (ehemalige) Quereinsteigerin durchaus etwas abgewinnen kann. Abgesehen davon, dass es gar nicht so einfach ist, „Nicht-Personaler“ für eine Tätigkeit im Personalwesen zu begeistern (was wieder ein eigenes Thema wäre), habe ich mit diesem Vorgehen bislang tatsächlich nur gute Erfahrungen gemacht. Ich lerne unheimlich gerne dazu und suche immer wieder nach Möglichkeiten, die entstehende Betriebsblindheit zu bekämpfen, und da ist der frische Wind, den jemand aus einem anderen Bereich mitbringt, durchaus willkommen.

Ich möchte nicht dafür plädieren, einen Quereinsteiger gleich mit der Lohnabrechnung oder den Betriebsratsverhandlungen über neue Arbeitszeitmodelle zu betrauen, denn es gibt Bereiche im Personalwesen, für die Fachwissen und/oder Erfahrung unerlässlich ist. Aber es spricht dennoch nichts dagegen, bei entsprechendem Interesse mit der nötigen Förderung und einem guten Training auch in diese Theme einzusteigen. Ich wurde auch nicht als Lohnabrechnungsspezialistin geboren, habe aber im Laufe der Zeit Gefallen daran gefunden und mache es (neben vielen anderen Dingen) auch gerne.

Was ich mich bei aller Begeisterung für das Konzept des Einbringens fachfremder Erfahrungen ins Personalwesen immer wieder frage, ist, ob es für viele nicht doch nur eine schöne Theorie ist, die in der Praxis kaum Fürsprecher findet.
Wie oft habe ich schon von Kolleginnen oder Kollegen gehört, dass meine Erfahrung im Vertrieb von Personaldienstleistungen und Zeitarbeit, meine Erfahrung in der Produktentwicklung oder mein pädagogischer Hintergrund ja ganz interessant sei, aber dass mir dadurch ja „leider, leider“ die Erfahrung im Personalwesen fehle trotz meiner vielen Berufsjahre, und dass das dann „leider, leider“ überhaupt nicht so passen würde, weil man halt Leute suche, die ihr Arbeitsleben ganz dem Personalwesen gewidmet hätten.

Hätte ich das nur einmal gehört in den letzten acht Jahren, würde ich mir kaum Gedanken darüber machen. Nur höre ich das eben regelmäßig und obwohl ich mir meiner Schwächen bzw. meiner mangelnden Erfahrung in manchen Teilbereichen des Personalwesens durchaus bewusst bin, frage ich mich doch, wie wichtig das mit dem Blick über den Tellerrand im Berufsalltag tatsächlich ist, oder ob die Theorie mit der „Mehr-als-HR-Erfahrung“ doch hauptsächlich heiße Luft ist, weil es sich gut anhört und weil wir nach dem Platz am Business-Partner-Tisch streben.

Tun wir uns im HR einen Gefallen damit, uns in der eigenen Professionalisierungsdebatte zu verheddern und uns als die alleinigen Experten für unsere Themen anzusehen? Würde denn etwas Schlimmes passieren, wenn wir nicht nur über den Tellerrand schauen, sondern von diesem Blick etwas mitnehmen in unsere tägliche Arbeit? Wie können wir von unterschiedlichen Erfahrungen profitieren, das sollte die Frage sein, und nicht, wie viele Jahre „reine“ HR-Arbeit jemand bereits auf dem Buckel hat.
Denn ob jemand als HR-ler ins Unternehmen passt, ob er oder sie gute und professionelle Arbeit leistet, das lässt sich nicht allein an Berufsjahren festmachen.

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