Nun ist er schon wieder seit zwei Wochen vorbei, der diesjährige Personalmanagementkongress in Berlin.
Das erste Mal an neuer Location, im Herzen der Stadt am Alexanderplatz. Ich hörte einiges an Kritik zum Veranstaltungsort, zu klein, zu eng, das Catering nicht so gut wie früher, aber mir hat es insgesamt gut gefallen. Dass der erste Kongresstag buchstäblich ins Wasser fiel und man sich nicht draußen aufhalten konnte, dafür konnte die Location als solche nichts. Dass die frühen Vögel, die am zweiten Kongresstag zum Regionalgruppenfrühstück des BPM gekommen waren, erst einmal draußen warten mussten, weil wohl niemand so früh mit ihnen rechnete, war blöd, aber das lässt sich ja fürs nächste Mal leicht verbessern.
Ich kann zur Anfahrt zur Abendveranstaltung am Donnerstag leider keine Abenteuergeschichten erzählen, weil es mir gelungen war, innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit ein Taxi zu ergattern – weder war ich in der S-Bahn gefangen noch musste ich zum Friedrichstadtpalast schwimmen, aber manche Kolleginnen und Kollegen mussten doch einiges auf sich nehmen, um von A nach B zu kommen.
Insgesamt hat mir der Kongress sehr gut gefallen. Die Qualität der Keynote Speaker war gut, nur wäre es schön, wenn wir nächstes Jahr auch in den Keynotes mehr Frauen auf der großen Bühne sehen würden.
Ich konnte wieder viele gute Gespräche führen und bekam eine Menge neuer Impulse.
Die erste Keynote kam von Prof. Dr. Gunter Dueck mit dem Titel „Kompetenzwende oder Core Competence Shift Happens“ – natürlich mit dem wohl unvermeidlichen Kalauer darüber, was ein fehlendes f so anrichten könne, und mit der gern und viel geteilten Idee von selbstfahrenden Autos mit Bett und Gardinen.
Danach hörte ich mir zwei Vorträge über Roboter und Automatisierung an. Zunächst sprach Prof. Richard B. Freeman aus Harvard über „Work and income in the age of robots“. Da Roboter schon in vielen Lebensbereichen Einzug gehalten haben und es künftig noch mehr werden, werden wir eine Beziehung zu ihnen haben. Die Frage ist, welche Regeln für diese Beziehung gelten sollten und müssen. Auch auf die Frage, welche Berufe künftig verschwinden könnten, wenn es mehr Roboter gibt, ging Prof. Freeman ein und nahm dabei seine eigene Zunft, die der Lehrenden, als Beispiel. Augenzwinkernd verriet er, dass eine Umfrage unter Studenten ergeben habe, dass diese lieber eine Aufzeichnung einer Vorlesung anhörten als die Vorlesung selbst. Denn die Aufzeichnung könnte jederzeit angehalten werden und man könne nachschlagen, was man nicht verstanden habe. Einen Professor in voller Fahrt während der Vorlesung „anzuhalten“, um eine Frage zu stellen, sei ungleich schwieriger. Viele Fragen bleiben offen: sollten Roboter Steuern zahlen? Werden sie ihre eigenen Gewerkschaften haben? Wenn es ein Grundeinkommen gibt, würden auch Roboter dieses bekommen?
Thomas le Blanc von der Phantastischen Bibliothek Wetzlar sprach über den „Kollegen Roboter – vom alltäglichen Umgang mit intelligenten Maschinen“. Seine Eingangsfrage lautete, ob wir für die Zusammenarbeit mit Robotern eine Ethikkommission bräuchten, oder ob Asimovs Regeln genügen. Auch Herr le Blanc nahm die Frage auf, ob Menschen durch Roboter ersetzt würden und erntete Schmunzeln dafür, dass „Roboter“ an Service-Hotlines auch nicht besser arbeiten als Menschen. Wichtige Fragen, die sich stellen, seien, was wir zugunsten von Bequemlichkeit aufgeben würden und was uns im Zusammenhang mit Automatisierung tatsächlich wichtig ist. Er plädiert dafür, Roboter als Kollegen zu sehen, nicht als Diener oder gar Sklaven. Aus seiner Sicht sind die Regeln von Asimov „Sklavenregeln“ und so nicht anwendbar. Die These: Roboter als gleichberechtige Spezies sehen.
Danach ging es wieder mehr ins Personalmanagement, aber auch wieder von der Seite betrachtet. Ståle Økland’s Vortrag hieß „Personalmanagement von Rockbands lernen“. Als Trends nannte er:
* immer online
* Flexibilität
* Mobilität
* exit strategy
* sustainability
bezogen auf Rockbands. Als ich das auf Twitter teilte, kamen interessante Reaktionen, z.B. merkte einer meiner Follower an, dass das ja der „Traum jedes Arbeitgebers für seine Arbeitsdrohnen“ sei – er nahm das nicht als Anzeichen von „Freiheit“ wahr, wie es im Vortrag eher gemeint war.
Für alle, die sich die Toleranz als (Unternehmens-)Wert auf die Fahnen schreiben, hatte Ståle Økland das schöne Beispiel vom Zusammenleben im Tourbus im Gepäck: zwei Wochen. Im Sommer. Wer danach noch zusammenarbeiten wolle und könne, sei wirklich tolerant.
Uwe Lübbermann vom Premium Getränkekollektiv kam in roten Socken auf die Bühne und erzählte von den Dingen, die laut Managementliteratur alle nicht möglich seien und in seinem Unternehmen seit nunmehr 15 Jahren funktionieren. Eine seiner Thesen: eine Person mit einer Idee reicht, um etwas zu verändern. Meine Ergänzung: ja, wenn sie denn Mitstreiterinnen und Mitstreiter findet. Als Eremit tut man sich etwas schwer.
Wer mir bei Twitter folgt oder auch den Hashtag #pmk2017 im Blick hatte, wird dann festgestellt haben, dass die Anzahl meiner Tweets am Nachmittag stark nachließ. Das lag daran, dass ich an zwei interaktiven Sessions teilnahm und dort alle Hände voll zu tun hatte. Mein Fazit der beiden Sessions: durchwachsen. Was positiv war, war, dass mein Feedback zur ersten Session für die zweite gleich umgesetzt wurde, so weit das möglich war. Was nicht funktioniert hat: man hatte versucht, zwei Themen zu vermischen, nämlich einmal die Vorstellung von Studienergebnissen und das Ausprobieren eines Collaboration Tools.
Sehr spannend fand ich, dass in einer der Collaboration Sessions zwei Drittel der teilnehmenden Diskutanten der Meinung waren, dass es nicht möglich sei, aus dem HR in andere Abteilungen zu wechseln. Woran liegt das? Gibt es zu wenig Zutrauen in die eigene Lernfähigkeit? Haben Personaler zu wenig übertragbare Skills? Sind Personaler zu gefestigt in dem, was sie tun? Ich finde diese Fragen unheimlich interessant, habe aber zunächst keine Antworten.
Die Schlusskeynote des ersten Tages kam von Alisée de Tonnac von Seedstars, die engagiert auf Englisch darüber sprach, dass sich Talente überall finden lassen. Einer der häufigsten Gründe dafür, dass ein Start-Up nicht funktioniert, ist neben Finanzproblemen das „falsche“ Team bzw. die falsche Teamzusammensetzung. Deshalb ist es auch für Start-Ups wichtig, sich genau zu überlegen, wer zu ihnen passt, auch menschlich, nicht nur fachlich. Alisée de Tonnac plädierte stark dafür, die „no-asshole-rule“ anzuwenden – da stimme ich ihr aus ganzem Herzen zu.
Die Gala im Friedrichstadtpalast war wie immer sehr schön, wenngleich der Show Act nicht meinen Geschmack traf, aber immerhin war die Begleitband hervorragend.
Der zweite Tag begann wie schon erwähnt mit dem Regionalgruppenfrühstück und danach ging es zur ersten Keynote wieder in den Kuppelsaal. Sigmar Gabriel war eingeladen, angekündigt und kam tatsächlich. Er ist ein hervorragender Redner und bekam mehrmals Szenenapplaus, unter anderem für ein starkes Plädoyer pro Europa.
Dann hatte ich die Ehre und das Vergnügen, als Regionalgruppenleiterin zwei Vorträge anmoderieren und begleiten zu dürfen. Zum einen sprach Ivana Steglova engagiert und ehrlich über „Improving People Services“, ein derzeit laufendes Projekt – und sie stellte auch ein interaktives Tool vor, das sie im Projekt benutzen und alle Zuhörerinnen und Zuhörer durften es auch gleich testen. Das hat mir gut gefallen. Zum anderen sprach Melanie Schonert unter dem Titel „Ich weiß was“ über eine neue App bei Leonardo Hotels, die es auch den Kolleginnen und Kollegen ohne PC-Arbeitsplatz ermöglichen soll, Informationen zu bekommen und sich auszutauschen.
Nach diesen beiden Vorträgen gönnte ich mir eine Pause, die ich zu intensiven Gesprächen mit Dienstleistern nutzte.
Am Nachmittag betreute ich zwei weitere Vorträge: die neue BPM-Präsidiumskollegin Friderike Schröder sprach über „Ohne Wir kein Ich .. ohne Netzwerk keine starke HR-Funktion“ und Danine-Isabella Faska von der Quadriga Medien Berlin stellt das neue Projekt „#keepquestioning“ vor. Dabei geht es u.a. um neue Wege der Zusammenarbeit, des Teilens von Wissen und wie sich Meetings verbessern lassen.
Die Abschlusskeynote kam von Prof. Dr. Dirk Helbling zum Thema „Das digitale Zeitalter: Datendiktatur oder Mitmachgesellschaft“. Eine seiner Thesen ist, dass wir einen demokratischen Kapitalismus brauchen, oder auch „crowdfunding für alle“.
Am Rande bemerkt: es vergeht ja kein Kongress ohne dass jemand bei Twitter moniert, Personaler würden ja nicht genug twittern und überhaupt. Wie immer liegt das auch am Hashtag. Während ich letztes Jahr noch versuchte, möglichst viele unterschiedliche Hashtags zu bedienen, nutzte ich dieses Jahr nur den „offiziellen“: #pmk2017. Offiziell deshalb in Anführungszeichen, weil selbst der Twitteraccount des Kongresses selbst manchmal auch andere Hashtags nutzte. Jedenfalls war auf Twitter einiges los, wie man auch bei Argus Data Insights nachlesen kann.
Alles in allem wie gesagt ein toller Kongress. Ich freue mich schon aufs nächste Mal.