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„Dafür ist jetzt keine Zeit!“

Zum Thema Zeit und Geschwindigkeit gibt es hier im Blog immer wieder mal etwas zu lesen. Sei es in Bezug auf Personalauswahl oder auch ganz allgemein auf den Umgang mit Belastungen und Druck.

Heute möchte ich von einem Kopfschüttelmoment berichten, den ich vor kurzem hatte. Ich saß mit Führungskräften zusammen, aus verschiedenen Unternehmen. Es war eine gemischte Runde, unterschiedliche Hintergründe, Unternehmensgrößen, mit Betriebsrat, ohne Betriebsrat, im Wachstum oder auf der Suche nach Umsatz, wie das halt so ist.

Wir sprachen unter anderem auch darüber, wie sich die Unternehmen in der Zukunft aufstellen wollen und welche Herausforderungen gerade in der Personalarbeit auf uns zukommen.

Und in diesem Zusammenhang sagte eine Person (sinngemäß):

Teilzeit und 4-Tage-Woche und dieses Gerede von Balance und Freizeit ergibt überhaupt keinen Sinn! Wir haben Fachkräftemangel und Arbeitsverdichtung und haben keine Zeit für solche Sehnsüchte.

Zack, einmal mit dem Hammer ausgeholt und draufgehauen. Ich war einen Moment lang irritiert und schüttelte innerlich den Kopf.

Denn ich meine, dass wir gerade in dieser ver-rückten, merk-würdigen Zeit, in der wir leben und arbeiten, genau eines brauchen: Zeit.

Zeit, einfach mal Luft holen zu können. Zeit, die Axt zu schärfen. Zeit, darüber nachzudenken, ob Holzhacken ein zukunftsfähiger Job ist. Zeit, das Hirn einfach mal zur Ruhe kommen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass es seine Arbeit macht und neue Gedanken hervorbringt.

Wir sind nicht kreativ oder gar innovativ, wenn wir ständig „Land unter“ haben und unseren Schreibtisch vor lauter Akten nicht mehr sehen können (oder bei 467 ungelesenen E-Mails aufgehört haben, auch nur die Betreffzeilen zu überfliegen).

Ja, ich weiß, dass es viele Aufgaben gibt, die erledigt sein wollen. Und ich weiß auch, dass viele gar nicht so viele Menschen einstellen können, wie sie gerne möchten (wobei das eine andere Fragestellung ist, woran das liegen könnte und was man vielleicht tun kann). Aber ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass Pausen der Arbeit gut tun. Dass Auszeiten der Arbeit gut tun. Dass Teilzeit eine wunderbare Sache sein kann. Dass Menschen, die miteinander arbeiten und miteinander denken sollen, unheimlich viel erreichen können, wenn sie die passenden Rahmenbedingungen und Zeit bekommen.

Es kann eine Weile dauern, ein Hirn, das im Dauerstress ist, soweit herunterzufahren, dass die berühmt-berüchtigten Geistesblitze unter der Dusche tatsächlich kommen. Und vielen fehlt dazu die Geduld. Denn sie haben ja „keine Zeit“.

Ein Kreis, der sich nur auflösen lässt, indem man es tatsächlich tut: vom Karussell absteigen, sich ins Gras setzen oder auf die Schaukel, und sich einfach nur Zeit lassen. Es gibt Erstaunliches zu entdecken. Und wer sich Sorgen macht, ob es seinen Arbeitsplatz in fünf oder zehn Jahren noch gibt, der tut sich erst recht nichts Gutes damit, ohne Pause durchzuarbeiten. Die besten Ideen kommen dann zustande, wenn wir nicht in der negativen Stressspirale gefangen sind.

Als Musikerin bereite ich mich regelmäßig auf Konzerte vor. Auch dabei ist es wichtig,das richtige Maß an Druck zu finden und auch immer mal innezuhalten. Neulich war ich ein paar Tage krank und konnte nicht ans Instrument. Mein Hirn beschäftigte sich aber munter weiter mit meinem Konzertprogramm, und so manches Stück lief nach der Zwangspause besser als vorher.

Eine Zwangspause, weil Sie einfach nicht mehr können, wünsche ich Ihnen allerdings nicht, liebe Leserinnen und Leser. Aber Zeit, die wünsche ich Ihnen, und freue mich, dass Sie sich gerade jetzt die Zeit genommen haben, hier zu lesen. Vielen Dank dafür!

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Einfach mal raus

Der Frühling ist da, und an vielen Orten lädt das Wetter dazu ein, das Haus zu verlassen und nach draußen zu gehen. Wenn Sie nicht gerade Pollenallergiker*in sind, ist das auch eine tolle Sache mit diesem „Draußen“.

Nun ist das hier bekanntlich kein Naturliebhaberinnenblog, auch wenn ich letzte Woche über Hirsche schrieb, und es geht mir, betriebliches Gesundheitsmanagement und Fitnessprogramme hin oder her auch gar nicht darum, Sie dazu zu bringen, dass Sie sich mehr bewegen. Ich kenne Sie ja nicht, vielleicht trainieren Sie eh schon für den nächsten Marathon und haben für meine Frühlingsspaziergänge nur ein müdes Lächeln übrig.

Wir Menschen sind schnell dabei, andere in Schubladen zu stecken. Gerade in Medien wie Twitter fällt mir das immer wieder auf, wie „einfach“ das doch zu sein scheint. Da steckt jeder in seiner Filterbubble, man folgt Menschen, die ähnlich schreiben (und denken?) wie man selbst, wer einem nicht in den Kram passt, ist fix entfolgt, und durch Retweets und Herzchen („Likes“) finden sich irgendwie immer wieder diejenigen zusammen, die einander zustimmen. Das ist gut und wichtig und hat seine Berechtigung. Gleichzeitig hören viele von uns, wir müssten kreativer sein, ach was, innovativer, wir müssen jetzt digital werden oder es am besten schon sein, wir müssen… Ja, was eigentlich? Und wie stelle ich das an, dass die Ideen sprudeln und ich als modern und agil wahrgenommen werde?

Es ist eine spannende Zeit. Wir können mit einem Mausklick oder Fingertipp Informationen aus jeder Ecke der Welt bekommen, uns inspirieren lassen, Neues entdecken. Aber tun wir das wirklich? Oder verstärken wir nur das, was wir kennen, was in unserer eigenen Bubble gerade passiert und „in“ ist?

Ich möchte Sie einladen, immer mal rauszugehen aus Ihrem Umfeld. Was bewegt andere? Was sind deren Themen? Ist tatsächlich alles schon „digital“? Oder kommt uns das nur so vor, wenn wir uns selbst für digitalaffin halten?

Es ist das Jahr 2017. Die meisten Menschen haben eine E-Mail-Adresse, viele haben ein Smartphone, es gibt an vielen Orten „schnelles“ Internet, da liegt es nahe, davon auszugehen, dass die Menschen „digital“ unterwegs sind. Eines meiner Hobbys ist der Betrieb eines Forums. Ja, das kann man auch im Jahr 2017 noch machen, das funktioniert. Das Forum besteht seit 2006 und die Nutzerzahlen steigen immer noch an. Das Thema ist ein eher „handfestes“, zum Finger schmutzig machen, es geht um LKW. Ich habe 2014 auf der Webcon in Aachen vom Forum erzählt und da für einige Lacher gesorgt. IT-affine Menschen amüsieren sich meist königlich über die Anfragen, die bei uns als Betreiber so auflaufen.

Wohlgemerkt, es ist das Jahr 2017. Das bedeutet aber nicht, dass alle Menschen auf dem gleichen Level sind, was den Umgang mit E-Mail, Internet und Co. angeht. So bekommen wir regelmäßig Anrufe von Nutzern, die bei der Registrierung an unserer Sicherheitsfrage (kein Captcha, das kein Schwein lesen kann, sondern eine simple Frage) scheitern und keine Vorstellung davon haben, was es heißt, einen Begriff „in Großbuchstaben“ einzugeben. Dann gibt es diejenigen, die sich per Mail benachrichtigen lassen, wenn ihnen jemand im Forum eine Nachricht geschrieben hat. In dieser Mail steht dann sinngemäß: „Du hast eine persönliche Nachricht von User X bekommen. Um die Nachricht zu lesen, klicke auf diesen Link.“ Was macht der Nutzer? Klickt in seinem Mailprogramm auf „antworten“ und schickt seine Nachricht an die Admins. Und so weiter. Geschichten dieser Art gibt es viele.
Nun sind das beileibe nicht alles Rentner über 65, und das sind auch nicht unbedingt dumme Menschen. Das sind einfach Menschen, die in ihrem Alltag ganz andere Themen haben. Die arbeiten nicht am Rechner, haben kein halbes Dutzend coole Apps auf dem Smartphone und denken beim Stichwort „agil“ eher an einen Sportler als an eine Arbeitsweise .
Mich erdet die Beschäftigung mit den Problemen meiner Nutzer immer wieder. Denn ich kann einfach nicht davon ausgehen, dass jeder auf dem gleichen Stand ist wie ich es bin.

Und so geht es mir auch mit dem ein oder anderen HR-Thema (apropos HR, nicht jeder weiß sofort, was damit gemeint ist. Auch das fällt einem in der eigenen Filterbubble nicht unbedingt auf. Wo ich wohne ist HR übrigens der Hessische Rundfunk und nicht das Personalmanagement): was bei meinem Arbeitgeber wichtig und aktuell ist, ist nicht überall wichtig und aktuell. Was im Konzern funktioniert oder funktionieren muss, lässt sich nicht eins zu eins auf ein kleines Unternehmen übertragen. Die einen sind über die Automatisierung von Prozessen schon hinaus und denken weiter, die anderen arbeiten noch mit Excel-Listen. Das eine ist nicht grundsätzlich besser als das andere. Es ist im jeweiligen Kontext zu betrachten. Nicht alle, die beim Thema Digitalisierung erst am Anfang stehen, sind Dinosaurier oder gar unflexibel oder doof. Nicht alle, die schon mittendrin stecken in der Digitalisierung, sind die großen Vorbilder. Wenn ich Menschen für digitale Themen begeistern will, mache ich das am besten nicht mit dem großen Hammer (auch Meinungsverstärker genannt) – ich hebe mir das grobe Werkzeug dann doch eher für meine Schrauberaktivitäten am Laster auf.

Eine gute Möglichkeit zum „rausgehen“ und „rausdenken“, ist, bei Twitter kuratierten Accounts zu folgen. Da schreibt wöchentlich jemand anderes, und so bekommt man nahezu automatisch Themen auf den Tisch bzw. aufs Display, an die man vorher noch nicht gedacht hat.

Was sind Ihre Tipps, aus Ihrer Filterbubble herauszukommen? Schreiben Sie mir gerne, hier als Kommentar, als E-Mail oder auch bei Twitter.

 

 

 

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