Diejenigen von meinen Leserinnen und Lesern, die wissen, dass ich nicht nur im Personal tätig bin, sondern auch als Musikerin und Sängerin, hätten vielleicht die Überschrift „Ein Lied, 2, 3, 4“ erwartet, vor allem, da ich hier kürzlich bekanntgegeben habe, dass es auch hier im Blog ab und zu mal um Stimmliches/Stimmiges gehen wird.
Die Musikerin in mir möchte sich heute mal Luft machen.
Regelmäßig werden (in HR-Magazinen) Bilder aus der Musik bemüht, wenn über Führung oder Kommunikation oder Rollen im Unternehmen geschrieben wird. Da werden Führungskräfte in HORGs mit Dirigenten verglichen, die ein strenges Regiment führen und die Untergebenen in starren Strukturen knechten. Da werden Jazzcombos als Hüter der führungspersonenlosen Zusammenarbeit in den Himmel gehoben, da wird HR in die hinterste Ecke der Bühne gestellt und über Töne, Zusammenklang und Rhythmus phantasiert.
Musik lädt natürlich auch dazu ein, denn die meisten Menschen haben zu Musik eine Beziehung, mindestens hörend. Musik kann uns Bilder liefern, die vielen Leuten geläufig sind. Doch decken Sinfonieorchester und Jazzbands nur einen Teil ab – schnell tappt man in die Falle der vermeintlichen Universalität von Musik und meint doch oft die westeuropäische Tradition. Es gibt so viele musikalische Strömungen und Tonsysteme auf unserem Planeten, dass man sich problemlos darin verlaufen könnte und das ist ein Thema, das hier viel zu weit führen würde. Aber auch darüber könnte ich stundenlang reden.
Zurück zu den musikalischen Bildern. Was mich als ausgebildete und ausübende Musikerin immer wieder stört, ist, dass diese Vergleiche häufig hinken. Da werden Orchester und Jazzbands gegeneinander ausgespielt oder auf eine Art und Weise miteinander verglichen, dass ich mich frage, wie intensiv sich die Schreibenden überhaupt mit diesen Welten auseinander gesetzt haben, oder ob einfach nur Klischees und Vorurteile genutzt werden, die am Ende weder den einen noch den anderen gerecht werden. Eine Jazzband ist nicht automatisch „führungslos“ oder kommt ohne Struktur aus und wäre deshalb einem Orchester stets vorzuziehen. Orchestermusiker*innen oder Chorsänger*innen sind nicht automatisch unterdrückt, nur weil jemand vorne steht, der*die den Ton anzugeben scheint.
Arbeiten Sie mal mit einem Chor, der nicht will. Da können Sie sich auf den Kopf stellen – einfach qua Amt oder Hierarchie bekommen Sie kein gutes Ergebnis zustande.
Nicht jedes musikalische Bild „passt“ oder lässt sich auf Führungsstile oder Kommunikation oder Rollen im Unternehmen übertragen. Es kann sogar problematisch sein, wenn man sich zu sehr auf Zuschreibungen verlässt (Bassisten sind immer schüchtern, Violinistinnen werden leicht hysterisch, Oboisten sind sonderbar, Dirigentinnen sind arrogant…) – mehr dazu habe ich vor ein paar Jahren hier geschrieben.
Es lohnt sich in jedem Fall, genauer hinzuschauen (oder hinzuhören, wenn wir in der Musik bleiben wollen) und auch auf Grau- oder Zwischentöne zu achten.
Ich rede übrigens gerne darüber, in welchen Bereichen mein musikalischer Hintergrund für meine Arbeit in und für Unternehmen hilfreich ist und was sich übertragen lässt. Bei Interesse einfach melden!