Wie jedes Jahr möchte ich hier im Blog ein paar Gedanken und Impulse vom Personalmanagementkongress teilen und habe letzte Woche bereits ein erstes Fazit veröffentlicht.
Ich habe sehr viel aus Berlin mitgenommen, eine Menge getwittert und viele Seiten Notizen geschrieben. Ja, ich bin bei aller Onlineaffinität eine Papiertante und liebe es, mit der Hand zu schreiben. Netterweise gab es beim Kongress passende Notizbücher, und so war ich gut gerüstet.
Einer der wichtigsten Sätze des Kongresses stammt von Elke Eller, Präsidentin des BPM, mit Blick auf die aktuelle politische Stimmung:
Die Menschen wollen die Offenheit.
Wir als Personalerinnen und Personaler leben ja auch zum Teil davon, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Ecken der Welt kommen oder dass wir auf globaler Ebene mit Tochtergesellschaften, Schwesterfirmen und Mutterkonzernen zu tun haben. Und damit alle gut zusammenarbeiten können, braucht es diese Offenheit. Scheuklappen und der Versuch, neue Zäune und Mauern zu bauen, sind keine guten Begleiter auf dem Weg in die Zukunft.
Das Thema Freiraum kam auch im Vortrag von Andreas Grieger von Weidmüller immer wieder zur Sprache, vor allem im Zusammenhang mit betrieblicher Weiterbildung und Digitalisierung. So manche gute Idee oder Innovation entstand durch Zufall. Zufallsbasiertes Lernen braucht Raum und Zeit – wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen Raum und diese Freiheit bekommen, können neue Impulse entstehen. Herr Weidmüller plädierte für Demut und dafür, Dinge zuzulassen und wegzulassen und einfach mal loszulassen. Denn
die Dinge passieren sowieso.
Sven Robin vertrat engagiert die These, dass wir in einigen Jahren keine Trainer mehr benötigen werden und stellte einige Tools und KI-Komponenten vor, die den herkömmlichen Trainer ersetzen könnten. Gleichzeitig ist und bleibt die soziale Komponente des Lernens wichtig. Ebenso soll selbstgesteuertes Lernen ermöglicht werden. Während seines Vortrags habe ich häufig genickt, nicht jedoch, als das Beispiel mit dem Klavier ins Spiel kam. Mit künstlicher Intelligenz könnte es irgendwann möglich sein, ein Klavier anzuschauen und die einzelnen Teile erklärt zu bekommen (Hammer, Taste, Saite, Stimmwirbel…) und dann auch auf einen Klavierlehrer zu verzichten, weil die KI sagen würde, welche Taste man drücken muss. Ja, für den technischen Teil stimme ich zu. Da lässt sich viel machen, z.B. auch mit Augmented Reality, und sicher wird das auch irgendwann kommen. Allerdings ist das Spiel eines Musikinstruments nicht nur mechanisch. Klavier zu spielen ist mehr als nur die Tasten zur passenden Zeit zu drücken. Musik besteht nicht nur aus physikalischen Phänomenen, die man messen und analysieren kann. Um Musik zu machen, um Musikstücke zu interpretieren, um Klavier spielen zu lernen, braucht es meiner Meinung und Erfahrung nach die Interaktion mit einem Lehrer. Für fortgeschrittene Spieler mag es möglich sein, diese Interaktion auch per Videokonferenz o.ä. herzustellen, aber im Anfängerbereich funktioniert das nicht dauerhaft. Daran ändern auch die vielen Onlinetutorials nichts. Aber ich gebe zu, dass ich voreingenommen bin, als studierte Musiklehrerin und begeisterte Lernermöglicherin, nicht nur im musikalischen Bereich.
Dennoch, ein sehr spannender Vortrag, der auch bei mir zuhause am Frühstückstisch mit meinem Mann (Physiker) zu einer intensiven Diskussion führte.
Um selbstorganisierte Unternehmen ging es im Vortrag von Ahmet Emre Acar. Selbstorganisierte Unternehmen funktionieren mal mehr, mal weniger gut. Eine entsprechende Veränderung muss nicht auf einmal passieren, sondern kann auch in kleinen Schritten angegangen werden, z.B. durch Anpassung einzelner Prozesse nach vorheriger Analyse und der Entscheidung, was konkret verändert werden soll. Die Führungskräfte werden zu Ermöglichern (Facilitators). Und die Kommunikation ist das A und O. Selbstorganisation braucht kleine Organisationseinheiten. Ein Standupmeeting mit 40 Personen wird kaum funktionieren. 😉
Mein BPM-Kollege Steffen Fischer nahm uns mit in die Welt eines traditionellen Industrieunternehmens und legte dar, wie New Work dort funktioniert – oder auch nicht. Viele Mitarbeiter sehnen sich nach Struktur und festen Abläufen, und diesem Wunsch nicht Rechnung zu tragen, kann Probleme schaffen. Steffen Fischer stellte verschiedene Projekte vor, wo New Work bei seinem Arbeitgeber ausprobiert wurde und wird, und zwar in den Bereichen Arbeitsort, Arbeitszeit, Arbeitsmethoden, Lernen und Führung. Er plädierte dafür, individuelle Lösungen zu finden und nicht auf jeden Zug aufzuspringen.
Über die Diskussionsrunde „Proud out loud“ habe ich bereits einen separaten Beitrag geschrieben.
Michael Müller von Fraport machte sich Gedanken über Zukunftsperspektiven in Traditionsunternehmen am Beispiel des Flughafenbetreibers. Werte im Arbeitsleben spiegeln Traditionen wider und sollten gemeinsam reflektiert werden, statt sie einfach nur zu verändern.
Nicht an den Werten arbeiten, sondern mit den Werten arbeiten.
Eine beeindruckende Session gab es mit Dr. Philipp Zimmermann und #Horst. Besonders spannend dabei: die HR-Personas, die in Kleingruppen entwickelt wurden, waren ausnahmslos weiblich. Und mein Tweet über die Silos und HR Business Partner und den Salat, den man damit hat, führte zu einer engagierten Diskussion bei Twitter, die wir möglicherweise auf einem anderen Kanal noch weiterführen.
Dass Compliance alles andere ist als dröge, zeigte eine weitere Session. Inklusive der Frage, ob es einen Unterschied gibt zwischen Compliance und Integrität (ja, gibt es) und wie sich das im Alltag zeigt (Beispiel: Taxi oder Bus vom Flughafen ins Hotel).
Über die englischsprachigen Sessions, an denen ich teilnahm, werde ich einen eigenen Beitrag veröffentlichen. Watch this space. 🙂