Vor kurzem stolperte ich über eine ganzseitige Anzeige in der ZEIT, die mich einladen wollte, ein Seminar zu buchen, in dem ich
die Spielregeln hierarchischer Kommunikation
lernen könne, um beruflich erfolgreicher zu werden.
Nun habe ich von der Seminaranbieterin vor Jahren schon einmal ein Buch gekauft und gelesen und fand es damals auch sehr gut und hilfreich, aber inzwischen sehe ich die ganze Sache kritischer. Denn: ist es denn wirklich sicher, dass die „hierarchische Kommunikation“ ein Modell ist, was auch in Zukunft erfolgreich ist (falls es das jemals war) und für das es sich lohnt, Zeit zu investieren?
Wäre es nicht vielmehr an der Zeit, darüber nachzudenken, wie Kommunikation (nicht nur im Unternehmen) zwischen Menschen gut, zielführend, fair und inklusiv stattfinden könnte, statt althergebrachtes Mann-Frau-Denken fortzuführen und den einen zu sagen, sie könnten ruhig so sein, und den anderen, sie sollten dieses „So Sein“ halt lernen? Wäre es nicht an der Zeit, zu schauen, in welchen Strukturen und Organisationsformen Frauen und Männer erfolgreich sein können?
Mal ganz abgesehen davon, dass beileibe nicht jeder Mann in hierarchischen Organisationen erfolgreich ist und nicht in jedem Mann ein großer haariger Urwaldbewohner steckt und nicht in jeder Frau eine graue Maus…
Vorurteile und Schubladen sind Teil unseres Lebens und lassen sich auch nicht einfach so wegdefinieren. Aber wir können uns einmal beobachten und schauen, in welche Fallen der „automatischen“ Zuschreibung wir immer wieder tappen und es beim nächsten Mal versuchen, anders zu machen. Wobei das wirklich nicht einfach ist, da wir von klein auf entsprechende Bilder bekommen, die sich im Kopf festsetzen. Zum Beispiel gibt es in der Sendung mit der Maus derzeit eine kleine Serie, in der die Herstellung einer Drehleiter für die Feuerwehr gezeigt wird. Wir sehen Männer, die schweißen, Männer, die den Hammer schwingen, Männer, die Rostschutz auftragen – und wir sehen die Frühstückspause im Werk, und Frauen, die das Essen bringen und es verteilen. Wir sehen zwar bei der Vorbesprechung über die Spezifikationen des Fahrzeugs auch eine Frau mit am Planungstisch sitzen, aber welches Bild behalten wohl Kinder im Kopf?
Worauf achten wir, wenn wir Bewerberinnen und Bewerber auswählen, wenn wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beurteilen? Wie ist das mit Männern, die introvertiert sind und sich mit den hierarchischen Spielchen schwer tun? Wie ist das mit Frauen, die sehr präsent sind, aber trotzdem keine Lust auf Spielchen haben? Was sind unsere Kriterien, was könnten Kriterien sein?
Ich maße mir nicht an, die Lösung für diese Fragen und Themen zu haben, im Gegenteil, ich bin selbst noch auf der Suche, aber ich bin sicher, dass es mit einem simplen „weiter so wie gehabt“ nicht getan ist, wenn wir auch in der Zukunft erfolgreiche Organisationen haben wollen und vor allem die zur Organisation passenden Menschen finden und halten wollen.
Zum Weiterlesen empfohlen: Büronymus: Working while female und Stop fixing the women!
Vielleicht haben Sie ja Lust, in die Diskussion einzusteigen? Ich freue mich, von Ihnen zu hören!
Hallo Andrea,
danke für deinen Beitrag, in dem ich mich sehr wiedergefunden habe.
Mir ist mal eine ähnliche Situation passiert, als mir vor Jahren eine Kommunikationstrainerin ein Seminar empfahl, in dessen Titel die Begriffe „Kommunikation“ und „Macht“ vorkamen – an sich eigentlich schon eine unglückliche Kombination. Ich könne damit lernen, mich besser zu positionieren. Das Seminar habe ich nicht besucht.
Damals konnte ich mein diffus ungutes Gefühl gegenüber diesem „Weiterbildungsangebot“ (#stopfixingthewomen) noch nicht in die passenden Worte fassen. Dafür tut es spätestens jetzt dein Artikel – danke dafür.
Viele Grüße,
Sarah