Ein heiß diskutiertes Thema ist diese Woche die Ankündigung der Yahoo-Chefin, ab Juni keine Home-Office-Arbeitsplätze mehr anbieten zu wollen und alle Mitarbeiter zurück ins Büro zu holen.
Da sprechen viele von einem Rückschritt, andere von logischer Konsequenz, manche glauben daraus ablesen zu können, wie es um das Unternehmen an sich bestellt ist, und wieder andere werfen Begriffe wie „Diskriminierung von zuhause arbeitenden Eltern“ und ähnliches in den Raum.
Die Entscheidung polarisiert, so viel ist sicher. Geht es beim Home Office um Work-Life-Balance, um ein rein organisatorisches Problem, oder vielmehr um die immer wiederkehrende Frage danach, wie viel Kontrolle und wie viel Vertrauen eine Arbeitsbeziehung braucht, und ob der Arbeitsplatz zuhause den Anforderungen an Kontrolle gerecht werden kann?
Während die allgemeine Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen flexible Arbeitsorte anbieten kann oder will, meist „irgendwo oben“ getroffen wird, ist die Frage nach Vertrauen und Kontrolle und dem Verhältnis der beiden für viele Führungskräfte ganz alltäglich.
Ich denke, dass gute Führung beides braucht. Führung ohne Kontrolle verdient meiner Meinung nach den Namen Führung nicht, Führung ohne Vertrauen verdient diesen Namen ebenfalls nicht. Die Mischung macht’s, und da fängt der Spaß erst so richtig an. Herauszufinden, wie man selbst als Führungskraft „tickt“, wie viel Vertrauen man seinem Team geben kann und will, und herauszufinden, wie die Mitarbeiter „ticken“ und wie viel Vertrauen und wie viel Kontrolle sie brauchen, kann anstrengend sein, ist aber unheimlich spannend. Es lohnt sich, sich dem Zwiespalt zu stellen, der sich in diesem Zusammenhang ergeben kann. Nur wenn ich als Führungskraft selbstbewusst bin, wenn ich weiß, wo meine Schwerpunkte liegen und was ich von mir und meinem Team erwarte, kann ich authentisch und sicher führen und bin für mein Team auch in einem gewissen Rahmen berechenbar. Das gibt Sicherheit und schafft Vertrauen. Selbstbewusstsein ist dabei nicht mit Arroganz oder Lautstärke gleichzusetzen, auch jemand, der eher still ist, kann sehr selbst-bewusst sein.
Ich bin als Führungskraft nicht perfekt. Ich mache Fehler und ich lerne täglich dazu. Ich empfinde es als Vertrauensbeweis, dass mein Team mir regelmäßig Rückmeldung zu meinem Führungsverhalten gibt, auch wenn sie mir nicht immer das sagen, was ich gerne hören möchte.
Meine Grundhaltung ist: Kontrolle ist gut. Vertrauen ist besser. Das klappt nicht in jeder Situation und mit jedem Menschen und schützt auch nicht vor Konflikten, aber es passt zu mir. Und ich kann an jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin wachsen, die mit meiner Art nicht so gut klarkommen, denn flexibel agieren zu können, wenn es der Mensch oder die Situation erfordert, ist ein weiterer Baustein im großen Kunsthandwerk der Führung.
Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen, und ohne die Situation bei Yahoo genau zu kennen, möchte ich nicht sagen, ob die Entscheidung von Frau Mayer gut, schlecht, richtig oder falsch war. Das kann ich nicht beurteilen.
Aber es ist eine wunderbare Möglichkeit, für sich selbst zu überlegen, wie man zu diesem Thema steht, und daraus vielleicht neue Perspektiven für die eigene Arbeit zu gewinnen oder zu dem Schluss zu kommen, dass es gut ist, wie es ist.